Evidenzbasierte patientenzenrtierte politische Empfehlungen zu erarbeiten – das war das Ziel eines großen Forschungsgipfels der weltweit führenden Chiropraktoren am 14. und 15. September 2019 in Toronto. [Anm.: Evidenz ist der eindeutige wissenschaftliche Beweis für die Wirksamkeit einer Behandlung. Dafür müssen äußerst strenge wissenschaftliche Standards eingehalten werden]. Es ging darum, politische Empfehlungen über die Wirksamkeit von Wirbelsäulenmanipulation zur Vorbeugung oder Behandlung von Krankheiten außerhalb des Muskel-Gelenk-Apparats zu entwickeln.

Der internationale Forschungsgipfel brachte 60 der bekanntesten Forscher der Chiropraktik bzw. auf dem Gebiet des Bewegungsapparats zusammen. Während die Forscher über die Evidenz diskutierten, beobachtete eine international zusammengesetzte Beobachtergruppe den Prozess. 30 Beobachter hatten sich angemeldet, darunter Vertreter nationaler und internationaler Chiropraktorenverbände. Unter den Beobachtern waren unter anderem die Vorsitzende der Dänischen Chiropraktoren Union, der Britischen Chiropraktoren Union, der Niederländischen Chiropraktoren Union und der Vorsitzende der Schwedischen Chiropraktoren Union. Auch der Dachverband der Europäischen Chiropraktoren, die European Chiropractors‘ Union, und der weltweite Dachverband World Federation of Chiropractic waren mit ihren Vorsitzenden vertreten.

Die Forscher werteten hunderte von Forschungsartikel aus. Zunächst mussten alle Artikel, die zu dem Themengebiet „Wirksamkeit von Wirbelsäulenmanipulatione zur Vorbeugung oder Behandlung von Krankheiten außerhalb des Muskel-Gelenk-Apparats“ erschienen sind, gesichtet und auf die Erfüllung von hohen wissenschaftlichen Kriterien (Relevanz, Qualität etc.) geprüft werden. Dabei wurden viele Forschungsartikel aussortiert, da sie den Richtlinien für evidenzbasierte Forschung nicht entsprachen. Nach fast 30 Stunden Arbeit (Recherche, Lesen, Bewerten) wurden die Empfehlungen am Sonntagnachmittag vorgestellt. Die Gipfelteilnehmer stimmten über den Inhalt ab. Sowohl Teilnehmer als auch Beobachter sind der Geheimhaltungspflicht unterworfen worden. Dies liegt daran, dass das Forschungsprojekt abgeschlossen sein muss, bevor Ergebnisse in die Öffentlichkeit getragen werden dürfen. Im Nachgang zum Gipfeltreffen der Forschungselite der Chiropraktoren fand eine Qualitätssicherung des Erarbeiteten statt und es wurden Entwürfe konzipiert, die nun von vielen Forschern weltweit genehmigt werden müssen. Das endgültige Ergebnis zur Wirksamkeit von Wirbelsäulenmanipulation zur Vorbeugung oder Behandlung von Krankheiten außerhalb des Muskel-Gelenk-Apparats wird voraussichtlich für diesen Herbst erwartet.

Neben dem forschungsrelevanten Treffen kamen auch 30 politische Vertreter nationaler und internationaler Chiropraktorenverbände zusammen. Thema war es, die Auswirkungen dieser Forschung(sergebnisse) und der Forschung im Allgemeinen zu erörtern.

Hintergrund: Im März 2019 fand ein Doppelkongress aus weltweitem Dachverband und europäischem Dachverband der Chiropraktoren statt, der unter dem Motto evidenzbasierte patientenfokussierte interprofessionelle und kooperierende Gesundheitsdienstleistung stand. Weltweit gibt es zwei Lager unter Chiropraktoren: evidenzbasiert arbeitende Chiropraktoren und Chiropraktoren, deren Ansichten zur Heilung durch Wirbelsäulenmanipulation sich auch auf Bereiche außerhalb des Muskel-Gelenk-Apparats erstrecken. Der Kongress im März 2019 wird von vielen als Wendepunkt in der weltweiten Chiropraktik hin zu evidenzbasiertem Zugang gesehen. Einige Chiropraktorenverbände u. a. aus den USA sahen die Neutralität und die Funktion des weltweiten Dachverbands WFC durch Äußerungen des WFC-Präsidenten auf dem Kongress in Frage gestellt.

24.09.2019 Ι aus der Forschung